Hallo Jon
und herzlich Willkommen bei den Espace-Freunden!
Grundsätzlich ist der J11 auch heute noch ein absolut alltagstaugliches Auto - aaaaaber... man findet kaum vernünftige. Natürlich gibt es Dinge, die jeden J11 betreffen und mit denen letztlich jeder Eigner irgendwie umgehen muss (unten mehr dazu) - laissez-faire macht da vielfach das Leben leichter.
Genau dieses Laissez-Faire der meisten Eigner hat aber auch dazu geführt, dass es zwar massig Restaurationsobjekte in irgendwelchen Scheunen und Hallen gibt, die meist wirklich viel Arbeit brauchen (ja, ich habe auch welche stehen), aber kaum Fahrzeuge, die 'einfach' gut erhalten sind.
Hier stellt sich also die generelle Frage, ob Du ein Restaurationsobjekt oder ein Stand heute alltagstaugliches Fahrzeug suchst.
Unterschiede in der Baureihe gab es beim J11 einige (Motoren, Ausstattungen, ...), die alle über KBA-Nummern und Preislisten von damals nachvollziehbar sind. Der wichtigste Unterschied aber, der zwischen Phase 1 und Phase 2, ist weitgehend undokumentiert. Auf den ersten Blick denkt man: Ja, Scheinwerfer, Kühlergrill, Schlussleuten, ein paar Gummileisten. Ein typisches Facelift.
Aber das ist ein Irrtum.
Phase 1 und 2 haben komplett unterschiedliche Vorderachsen. Das Lenkgetriebe ist ein anderes, im Fond gibt es zusätzliche Rasten für die 3. Sitzreihe, die Heckklappe ist deutlich nach außen gewölbt (was 5 cm mehr Innerraum resp. 50l mehr Stauraum bedeutet usw.
Im 2. Jahr der Phase 2 wurde dann noch das Belüftungssystem komplett geändert, so dass ab diesem Zeitpunkt eine Umluftschaltung vorhanden ist und eine Klimaanlage ab Werk verfügbar war.
Bis Bj. 88 gab es ausschließlich die Möglichkeit, eine Klimaanlage nachzurüsten, die dann den Knieraum des Beifahrers spürbar einschränkt. Ebenfalls ab Phase 2 war ABS gegen Aufpreis zu haben, ebenso (für einen damals irren Aufpreis) ein Allradantrieb, der seiner Zeit ebenso voraus war wie das ganze Fahrzeugkonzept: Die Kardanwelle war aus CFK und metallisch bedampft, umden Umwelteinflüssen besser standzuhalten. Dadurch war sie so leicht, dass sie einteilig ausgeführt werden konnte - mit je einem Kreuzgelenk am Getriebe und am Sperrdifferential, das beim Espace immer als automatisch sperrende Visco-Kupplung ausgeführt ist: ganz ohne Elektrik, aber nicht ohne Wartungsbedarf.
Und damit kommen wir zu den Dingen, auf die man beim Kauf besonderes Augenmerk legen sollte.
Teil 1: Todesurteile.
Hier ist die Liste glücklicherweise sehr kurz: Es sind mehrere Fälle bekannt, in denen die Längslenkeraufnahme der Hinterachse am Chassis durchgerostet war. Hier darf (zumindest für eine Zulassung in Deutschland) nicht geschweißt werden - es bleibt also nur noch 'ausschlachten'.
Teil 2: Großer Reparaturaufwand:
1. Rost. Nach über 30 Jahren ist leider an den feuchtesten Stellen der J11-Chassis das Zink verbraucht (es opfert sich ja für das Blech auf, damit dieses nicht rostet) - und dann gammelt der J11 wie jedes andere alte Auto auch. Betroffen sind in erster Linie die Schweller (Schwellerenden und Unterseite rund um die Öffnungen, durch die sich Dreck und Feuchtigkeit abgelagert haben), aber auch die hinteren Innenkotflügel. Hier geht der Rost meist von zwei Stellen aus - der Kante zwischen Bodenblech und Seitenwand um Kofferraum - oft als Folge von Feuchtigkeit IM Auto sowie von den Nieten der Innenradläufe, für damals wohl Löcher in die bereits verzinkte Karosserie gebohrt und damit der Zinkschutz beschädigt wurde.
2. Lenkgetriebe: Insbesondere die Lenkgezriebe der Phase 1 sind nicht für die Ewigkeit gebaut. Oft treten nach 200-250.000 km Undichtigkeiten auf. Mangels Reparatursatz bleibt dann nur der Austausch - der seitlich durch eine Öffnung hinter der Radaufhängung erfolgt. Ein ziemlich nervtötendes Gewürge. Immerhin: Inzwischen (und immer noch) sind überholte Lenkgetriebe verfügbar. Vor ca. 20 Jahren war das nicht der Fall, ein (zu) undichtes Lenkgetriebe war damsls ein Todesurteil für das Auto.
3. Vordere Kotflügel, Himmel (bzw. ab 1986 Bespannung der Holme): Um die auszutauschen, müssen Windschutzscheibe und die vorderen Dreieckfenster (alles eingeklebt) demontiert werden. Wenn's nicht unumgänglich ist: Workaround suchen.
4. Tankgeber: sitzt auf der Oberseite des Tanks. Wurde im Werk nach dem Einbau des Tanks von oben montiert, dann wurde das Loch im Chassis (ca. 20 cm Durchmesser, unter dem mittleren Rücksitz) mit einem Blechdeckel verschlossen und anschließend der Teppich eingebaut, danach die Seitenverkleidungen. So macher 'Pragmatiker' hat später beim Verdacht auf defekten Tankgeber ein hübsches Loch in den Teppich geschnitten, so dass er von oben rankam. Dürfte bei der H-Abnahme zu Dislussionen führen. Ansonsten halt ohne Kollateralschäden den Tank von unten her lösen und ablassen - dann kommt man auch dran.
Teil 3: Problematische Ersatzteillage
Die gute Nachricht ist, dass viele Verschleißteile baugleich mit R18 und Fuego oder R25 sind. Das meiste davon ist noch neu zu haben, evtl. muss man zu französischen Ersatzteilhändlern ausweichen.
Sobald es um Espace-spezifische Teile geht, wird es schwierig. Und da ist die Phase 2 dann plötzlich problematischer als die Phase 1, bei der quasi die komplette Technik aus bestehenden Renault-Modellen zusammengesucht war. Ob Antriebswellen, Querlenker, Lampen oder Gebläse - das sind alles Teile, die bis 1987 von anderen Renaults kamen (außer R18 und Fuego dienten auch R5, R9, R11 und Trafic als Teile-Liefersnten), von 1988-1990 espace-spezifisch waren und dann beim J63 (ab 1991) wieder weitgehend baugleich mit dem R25. So sind z.B. vordere Blinker der Phase 2 ein wirklich rares Gut.
Bewegt man sich von der Technik weg zu Karosserie und Innenraum, dann gilt das mit dem 'raren Gut' praktisch für JEDES Teil. Diese Teile kamen damals von Matra und nicht von Renault - und nach der Pleite von Matra Automotive 2002 wurde der gesamte Teilebestand verschrottet. Das Problem besteht daher schon seit gut 20 Jahren, entsprechend geplündert sind die hier oder dort in Werkstätten lagenden Ersatzteile. Es müssen deshalb immer weiter J11 sterben, um den Rest am Leben halten zu können.
Eine besondere Erwähnung verdienen an dieser Stelle noch die Türen. Die sind von Anfang an in Composite-Bauweise ausgeführt worden: Innentür aus Blech, Außensschale aus GFK aufgeklebt. Leider waren die Türen der Phase 1 nicht ernsthaft rostgeschützt, rostfreie Orginaltüren der Phase 1 sind extrem selten. Gammeln tun die Türen üblicherweise vom unteren Falz aus.
Man könnte jetzt natürlich 'mal eben' die Türen der eigenen Phase 1 gegen die einer Phase 2 austauschen... aber es ist leider gar nicht so einfach, wirklich passende zu finden!
Denn die Außenhaut wurde im Werk erst nach dem Einbau der Innentür aufgeklebt - so, dass sie schön gerade saß, egal wie schepp die Innertür am Chassis hing. Entsprechend sitzt jede Türhaut etwas anders auf dem Metallrahmen - und entweder man nimmt bei einer Reparatur die nächstbeste verfügbare (kann man so machen, sieht halt sch... aus) oder man testet viele Türen durch, biss eine vernünftig passt. Aber woher 'viele Tüten' nehmen?
Bleibt zum Schluss noch ein Blick auf die nervenden Probleme bedtimmter Motorisierungen und Ausstattungen:
1. Für den 2.0l-Vergaser werden auch Verschleißteile langsam rar. Auch hält der Motor nicht ganz so lange wie der 2.2l, weil das generelle Drehzahlniveau höher liegt und daher der Verschleiß höher ist. 300.000 km erreichen die meisten trotzdem, einige auch weit mehr.
2. Der 2.1l-Turbodiesel neigt bei Überhitzung zu Rissen im Zylinderkopf. Ersatz ist inzwischen schwierig auszutreiben.
3. Der 2.2l Einspritzer wurde Ende 86/Anfang 87 nachgeschoben. Es war der allererste Renault-Motor mit 3-Wege-Kat. Ca. 90% der in Deutschland überlebenden J11 haben diesen Motor, der (wie auch der Turbodiesel) nahezu unverändert auch im Nachfolger J63 weiter verbaut wurde (was die bessere Ersatzteillage erklärt). Die große Schwäche dieses Motors ist der Verteiler, der hinten am Zylinderkopf auf der Kurbelwelle sind - und zuverlässig für Ölverlust sorgt. Das Öl findet man entweder durch tasten auf der Motorrückseite - oder unter dem Auto am Getriebe... auch wenn das Getriebe an sich gar nicht undicht ist.
4. Gebläse: Erst fangen die Lüfter an zu quietschen, dann zu rattern und zum Schluss bewegt sich gar nichts mehr. Die Gebläsemotoren haben leider Gleitlager, die gern verschleißen. Ob es dafür inzwischen eine andere Lösung als 'Zusatzlüfter für Zigarettenanzünder' gibt, weiß ich nicht.
5. Himmel: Ab 1986 (als mitten in der Phase 1) wurde der Himmel nicht mehr gespannt, sondern eingeklebt. Die Schichtung war: Filz (sichtbar), Schaumstoff, Gaze, Klebstoff, GFK-Dach. Der Schaumstoff löst sich nach ca. 15-25 Jahre in Wohlgefallen auf und den Espacefahrenden Galliern fällt der Himmel auf den Kopf.
Passiert bei allen früher oder später - nur bei Dachsegmenten mit Glasdach hält das Glasdach den Filz oben.
6. Glasdächer: Von Anfang an war der Espace J11 mit 2 Glasdächern lieferbar. Wie mir einst von einem Ex-Renault-Mitarbeiter erzählt wurde waren diese Dächer aber nicht ab Werk verbaut, sondern wurden im Auftrag von Renault Deutschland im Saarland nachgerüstet. Das erklärt die Tatsache, dass ständig unterschiedliche Sonnendachmodelle Verwendung fanden. Schön sind sie ja, diese Glasdächer - aber leider auch in vielen Fällen undicht.
7. Das Gegenteil, nämlich 'dicht', ist das übliche Problem der Allrad-Variante - und zwar betreffend die Visco-Kupplung. Der Ölfüllung altert nämlich über die Jahre dergestalt, dass sie zähflüssig wird und damit die Kupplung immer mehr oher minder sperrt. Viele Besitzer haben das Problem im Laufe der Jahre 'gelöst', indem sie schlicht die Kardanwelle ausgebaut haben. Eine wirkliche Überholung der Visco-Kupplung ist möglich, aber sehr aufwendig (und hier im Forum dokumentiert).
8. Kunststoffe und Gummi altern - das ist ein unbestreitbarer Fakt. Beim J11 führt das unvermeidlich zu Handschuhfachdeckeln, die sich pagodenartig aufwölben (das kann so weit gehen, dass der Deckel kaum noch aufgeht), die Leisten an den Fensterunterkanten tun das Gleiche (die Enden wölben sich hoch) und auch die Türdichtungen schrumpfen (von unten her abziehen und beginnnend oben richtig andrücken macht die Türen oben wieder dicht - unten bleibt ein immer längerer Streifen ohne Dichtung übrig. Teilweise kann man sich bei solchen Problemen mit Meterware behelfen, teilweise mit eigenen Nachfertigungen und teilweise wird mit deutlich nicht-originalen Lösungen gelebt (z.B. Teppichboden auf dem Handschuhfachdeckel. Schön ist das dann nicht - dokumentiert aber das eingangs erwähnte Laissez-faire...
Wenn Dich das jetzt alles nicht abgeschreckt hat, dann verrat uns noch, was genau Du eigentlich suchst und wir werden Dich gern bei dieser Suche unterstützen.
Schöne Grüße
Uli